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Bücher von Heinrich Hansjakob

Diese Bücher sind alle im Waldkircher Vlg., W. verlegt worden.

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Hansjakob, Heinrich [Pseud.: Hans am See], 1837-1916

Eine Leseprobe

Das Sterben des alten Hermesbur

von Heinrich Hansjakob

Der alte Hermesbur starb wie ein Held. Auf einer kleinen Anhöhe liegt der Hermeshof und schaut ins stille Tal hinab bis gegen Zell zur Wallfahrtskirche. In diese war manchen Sonntag in gesunden Tagen der alte Bur gewandelt, der Muttergottes zulieb, und als er krank und kränker ward, hatte er seine Kinder hinabgesandt in die Kapelle, damit sie beteten um eine glückliche Sterbestunde. Der Kaplan von Zell aber brachte ihm öfters die heilige Wegzehrung. Darum fürchtete der Hermesbur das Sterben nicht.
Es war ein heisser Sommertag, als der Sensemann auf dem Hermeshof anklopfte, um den Bur zu seinem Weibe, das schon seit Jahren auf dem Kirchhof von Zell ruhte, abzuholen. Die Kinder, alle erwachsen, umstanden das Sterbelager des Vaters. Drunten im Tal arbeiteten Knechte und Mägde, um die Weizenernte heimzubringen. Drüben von der Kinzig her zog ein Gewitter dem Tale zu. Schon rollte der Donner in der Ferne.
"Der Himmel selbst flammt auf, wenn Fürsten sterben," sagt Shakespeare, und ein deutscher Hofbauer ist auch ein Fürst. Er war es wenigstens noch zu Zeiten des alten Hermesbur. Der hörte im Sterben die Stimme des kommenden Wetters und wusste, dass die Ernte drunten lag am Fusse des Hügels. "Ich kann allei sterbe", hub der Alte zu seinen Kindern zu reden an, "helft ihr drunte den Völker Garbe binde und sorgt für euer Brot zur Winterszeit. Ich bruch keins meh', ich wart' uf de Winter drunte im Gottesacker."
Hinter dem uralten Kasten in der Sterbekammer stand eine alte, lange Flinte, im Haus von jeher nur "der Brummler" genannt. Schon der Urahn des Sterbenden hatte mit dem Brummler das Neujahr und die Kirchweih ins Tal hinunter geschossen. Mit ihm wollte auch der sterbende Hermesbur seinen Tod ansagen. "Legt mir den Brummler", so sprach er weiter,"geladen unters Kammerfensterle und bindet ans Schloss eine Schnur. Die gebt mir in die Hand." So geschah es, und alsdann redete der Alte weiter: "So, jetzt geht ihr hinab und helft Garben binden, und der Vater wartet auf den Tod. Wenn er kommt, zieh' ich die Schnur am Brummler. Wenn ihr den im Tale drunten hört, dann kniet nieder und betet ein Vaterunser und Herr gib ihm die ewig' Ruh' - denn euer Vater ist tot. Und jetzt behüt euch Gott! Bleibt brav, wie euer Vater und Mutter es gewesen sind."
Nun gab er jedem seiner Kinder die Hand zum Abschied und mahnte sie zur Eile mit den Worten: "Aber jetzt geht schnell, 's donnert schon wieder."
Der Alte hatte allzeit seinen Willen, fest wie Eisen. Sein letzter Wille aber war heut wie ein Diamant. Die Kinder, immer gewohnt, ihm zu folgen, gehorchten auch hier. Weinend gingen sie den Hügel hinab, und unter Tränen banden sie ihre Garben. Tränenden Auges schauten sie von Zeit zu Zeit von der Arbeit hinauf zum Hermeshof, ob sie nicht vor dem Donner des Himmels den Brummler überhört hätten.
Eben war die letzte Garbe gebunden und geladen, da fuhren Blitz und Schlag übers Tal hin. Eine plötzliche Stille folgte dem Zucken und Rollen vom Himmel her - da fällt ein Schuss vom Hof herab, der Brummler gibt das Todessignal des Vaters. Neben dem Erntewagen knien die Kinder und beten ein Vaterunser und Herr, gib ihm ewige Ruhe und das ewige Licht leuchte ihm. Dann führen sie die Garben den Berg hinauf ins Vaterhaus. Der Vater ist tot, da sie seine Stube betreten. Die Ernte ist daheim und der Vater auch. -

(eingesandt von Katja Moser: KMOSER@ch.oracle.com)

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